Publikationen - Vortrag Teil 2
RESTAURIERPRAXIS HEUTE

Wege zum neuen Verständnis im Umgang mit historischen Orgeln

Vortrag anläßlich des Kongresses der internationalen Bach-Gesellschaft der Slowakei
von 28. -30. 9. 2000 in Bratislava


Ich möchte nun Beispiele von einigen Orgeln geben, die nach diesen Grundsätzen restauriert wurden.

klosterneuburgrKlosterneuburg
Zum Beginn die Festorgel von Johannes Freundt von 1642 in der Stiftskirche von Klosterneuburg. Diese monumentale Orgel stellt in unserer Gegend eine der bedeutendsten Vertreter des Frühbarock dar.

Das Besondere an diesem Werk ist der hohe Anteil an originalen Pfeifenmaterial. Zu rekonstruieren war hier die Windanlage und die Traktur. Dies geschah auf äußerst einfühlsame Weise. Früher war eine minderwertige Seiltraktur vorhanden. Beschönigende Maßnahmen wie Aufpolieren der Prospektpfeifen, Neufassung der Gehäuseteile wurden bewußt unterlassen. Diese Restaurierung zählt von der Arbeitsmethodik meiner Meinung nach zu den Wegweisern für manch spätere Arbeit.

leobenrStiftskirche von Göss
Als nächstes Beispiel die Orgel der ehemaligen Stiftskirche von Göss/ Leoben, gebaut 1718 von Franz Mitterreiter.

Hier gilt auch im Wesentlichen dasselbe wie vorher. Die Balganlage wurde nach Vorbildern rekonstruiert, es wurde nach genauen Inskriptionsuntersuchungen an den historischen Pfeifen die ursprüngliche Aufstellung wiederhergestellt. Weiters haben wir auch hier als Glücksfall den originalen Prospekt vorhanden. Obwohl die Orgel mit gerade 13 Registern viel zu klein für den gewaltigen Kirchenraum gerechnet an heutigen Maßstäben ist, wurde das Instrument nie erweitert, heute aus dem Verständnis darüber, früher wohl aus Geldmangel. Dieses Instrument erfüllt heute wieder regelmäßig seine Aufgaben im Gottesdienst

obersiebenbrunnrObersiebenbrunn
Ein Beispiel einer kleinen Dorforgel von Johann Marcellinus Kaufmann, erbaut 1897 als 1. Generation einer Orgelbautradition die bis in die 60er Jahre reichte. Der Prospekt weist bereits durch seine Flecken den Übergang zur Patina auf. Auch hier wurde nicht aufpoliert. Das Werk präsentiert sich im unveränderten Zustand.

severiniorgelrSeveriniorgel
Hier sehen wir die Orgel der Martinuskerk in Cuijk in den Niederlanden. Dabei handelt es sich um ein Beispiel, wie man es eher nicht machen sollte. Der Orgel aus dem Jahre 1640 wurde jede Patina weggeschliffen, Pfeifen hochglanzpoliert, usw. Die Intonation klingt neu. Das historische Feeling ist eigentlich nicht mehr vorhanden. Die erstklassige handwerkliche Ausführung stelle ich dabei nicht zur Kritik.

maihingenrMaihingen
Zum Schluß ein Beispiel, dass so wichtig für das Verständnis der Theorie der konservierenden Restaurierung ist, dass ich es unbedingt bringen möchte.
Die Barockorgel der Klosterkirche von Maihingen im Bereich der Diözese Augsburg, Bayern verdient deshalb einen außergewöhnlichen Status, da sie ca. 5 Generationen in Vergessenheit geraten und versiegelt war und sich deshalb ein sensationell früher und originaler Zustand sowohl technischer als auch klanglicher Hinsicht erhalten hat. Also ein Referenzbeispiel für eine museale Denkmalorgel. Die Intonation gibt uns ein lebendiges Zeugnis eines möglichen Barockklanges. Dieses Werk wurde mit vorsichtigsten Maßnahmen restauriert, ist also eher eine Spielbarmachung, um ja nichts durch eigene Vorstellungen zu zerstören. Dieses Restaurierkonzept stellt aufgrund der außergewöhnlichen Situation sicher einen Ausnahmefall dar, ist aber unbedingt ein Meilenstein in der Restaurierpraxis der letzten Zeit.

Natürlich kann man über jedes Instrument alleine lange referieren, es würde aber den Rahmen sprengen.

Aber wie man sieht, erfordert die Sachlage bei allen ein gewisses Umdenken. Ja, man kann es beinahe als Herausforderung für die Zukunft ansehen. Für die Sachverständigen eine noch intensivere Auseinandersetzung mit der Technologie und dem Handwerk. Für die Denkmalpflege die Chance, ein noch größeres Mitspracherecht zu nutzen. Für die Orgelbauer die Chance, neue Wege zu beschreiten. Neben geschäftspolitischen Aspekten bedarf es heute der Erschließung neuer Arbeitsgebiete, die neben dem traditionellen Handwerk auch die Dokumentation und den damit erforderlichen bürokratischen Aufwand erforderlich macht.

Gerade die Dokumentation wird von den meisten Werkstätten und auch den Sachverständigen als nicht maßgebend oder als unnötiger Mehraufwand betrachtet. In diesen Punkt besteht noch ein gigantischer Nachholbedarf, im Gegensatz zur Industrie, wo qualitätssichernde Maßnahmen schon lange als notwendig erkannt wurden. Im Handwerk steht man dem seit jeher zweifelhaft gegenüber. Natürlich lassen sich die Anforderungsprofile nicht maßstäblich auf den Orgelbau übertragen. Während in der Industrie fertigungsbegleitende Prüfungen an der Tagesordnung sind, ist es bei einer Restaurierung notwendig, folgende Punkte festzuhalten:

  • Geschichte des Instrumentes ( in Zusammenarbeit mit Denkmalpflege)
  • Grundlegende Gedanken zum Restaurierziel
  • alle Detailentscheidungen während der Arbeiten
  • arbeitsbegleitende Unterlagen, mit denen die einzelnen Arbeitsschritte nachvollzogen werden können
  • Fotodokumentation
  • ergänzende Tabellen, Mensuren, Archivmaterial

Mit diesen Punkten wird sichergestellt, alle wesentlichen Themen, die für eine gründliche Auftragsabwicklung notwendig sind, in einem gesammelten Dokument zu vereinen. Es ergeben sich daraus zwei wesentliche Vorteile, die langfristig spürbar werden:

  • eigene Qualitätskontrolle und damit Verbesserung derselben
  • Nachvollziehbarkeit für spätere Generationen, neue Teile können von historischen trotz erlangter Patina unterschieden werden, Entscheidungen werden verstanden, usw.....

Allein diese zwei Punkte machen es schon zur Verpflichtung, dass wir uns mit diesen Dingen zu beschäftigen. Der große Nachteil an der Sache sind die erheblichen Kosten, die so ein System verschlingt. Das mag wohl der Hauptgrund sein, warum sich viele davor scheuen. Und das gerade heute in einer Phase des Sparens. So muß auch hier wieder einmal Aufklärungsarbeit vor Ort geleistet werden, um Verständnis für die Notwendigkeit zu werben. Leider ist von seiten der Auftraggeber eine noch mangelnde Bereitschaft für eine entsprechende Honorierung der doch spürbaren Mehrkosten vorhanden.

Nun kommen wir zu einem Punkt, der immer wieder für heftigen Gesprächstoff sorgt, und zwar die Praxistauglichkeit einer historischen Denkmalorgel.

Bei diesem Thema scheiden sich die Geister in zwei grundverschiedene Gesinnungsrichtungen mit einer Hartnäckigkeit und mit Vorurteilen behaftet, dass es für den Versuch einer objektiven Betrachtungsweise viel geistiger Offenheit bedarf. Es gibt da einerseits die „Historiker", die glauben, sie müßten unbedingt auf authentischen Instrumenten spielen, und sich darauf verwirklichen, und andererseits jene Gruppe von Musikern, die mit alten Orgeln nichts anfangen kann und lieber alles auf modernen Instrumenten mit allen Spielhilfen interpretieren wollen.

Tatsache ist, daß wir heute auf 500 Jahre aktive Orgelmusiktradition zurückblicken können. Damit einher geht die dazu passende Handwerkskunst. Wenn wir heute die Musik einer bestimmten Epoche betrachten, gibt es also immer einen dazu passenden Orgeltypus, der mit seinen technischen Möglichkeiten und mit seinem Klang der Einzelstimmen dieser Musik genau entspricht. Immerhin haben Komponisten dieser Zeit ja genau für diese Orgeln, die damals ja neu waren, komponiert. So geschah das zu jeder Zeit, und daher entwickelte sich mit der Musik, die ja immer neue Ausdrucksmöglichkeiten suchte, auch die Orgel. Es ist dabei absolut falsch zu glauben, dass damit die Orgel immer besser geworden wäre. Nein! Jede Zeit hatte in ihren Möglichkeiten die perfekten Instrumente und die perfekte Musik dazu. Heute leben wir in einer Zeit, wo alle Epochen musikwissenschaftlich durchleuchtet werden. Wir können uns aussuchen, welche Musik wir spielen wollen, und können uns als logische Konsequenz auch das passende Orgelwerk dazu wählen. Möglichkeiten dazu gibt es ja genug.

Auch dürfen wir nicht vergessen, daß die Orgel selbst schon ein Kunstwerk darstellt, nicht bloß ein technisches Gerät allein. Wenn man jetzt unbedingt Barockmusik interpretieren möchte, selbst aber „nur" ein romantisches Werk mit vielen Grundstimmen zur Verfügung hat, kann man sich in der Nachbarschaft ein adäquates Instrument suchen und nicht bei einem Versuch, das Stück seiner Orgel aufzuzwingen kläglich scheitern. Das Verstehen dieses Problems fängt nicht beim Instrument, sondern bei der Literatur an. Wir spielen und hören zwar Musik aus vielen Epochen, sehen sie aber mit unseren heutigen Augen. Wenn wir das Wesen der Musik erforschen, sei es in der Spieltechnik, Artikulation, Stimmführung, kommen wir fast automatisch zum geeigneten Instrumententypus. Dies ist bei der Orgel umso wichtiger, da sie -trotz vermeintlich statisches Instrument- wesentlich durch die Intonation, Windversorgung, Traktur zur Interpretation beiträgt. Gerade in diesen Punkt stellt sich das größte Problem dar. Der Musiker hat seine Ausbildung oft auf ganz anderen Instrumenten absolviert. Ich spreche jetzt von Instrumenten mit definiertem und heute üblichem Tastaturumfang, gleicher Spieltischgeometrie, ähnliche Register. Daß für den Schulbetrieb solche Instrumente natürlich die einzigen wirtschaftlich vertretbaren sind, ist selbstverständlich.

Natürlich kommt der Absolvent mit ganz bestimmten Vorstellungen in den Orgelalltag und versucht seine Ideen und Vorstellungen umzusetzen. Das Scheitern an historischen Orgelwerken ist dadurch vorprogrammiert. Man kann eben an einer Barockorgel z.B. keine Romantiker spielen, aber man versucht es trotzdem. Das Resultat ist meist jämmerlich und alle Leute fragen sich, ob das denn nun der tolle originale Klang der Orgel sei und sind enttäuscht. Der Organist wiederum ist auch frustriert und ist mit seiner Orgel unzufrieden. Damit hätten wir den Bogen wieder geschlossen, warum es immer noch so viele Umbauwünsche gibt. Die Konsequenz ist, der Musiker muß sich vorher im Klaren sein, was er für ein Instrument zur Verfügung hat und sich darauf einstellen. Wenn er damit Probleme hat, darf er nicht voreilig handeln. Natürlich darf man nicht den Fehler machen, das Instrument vor die Musik zu schieben. Es gibt genug Beispiele, wo eine gelungene Interpretation auf einem nicht vollkommen passenden Instrument trotzdem überzeugen kann, also das Wesentliche der Information vermittelt werden kann.

Wichtig ist, daß der Organist nicht gegen, sondern mit dem Instrument arbeitet. Organisten sehen ihre Instrumente oft als Einschränkung ihrer Möglichkeiten. Dabei sollte es tatsächlich so sein, daß sich zum bisher Gelernten neue, bis jetzt ungeahnte Möglichkeiten, Erweiterungen der Ausdrucksmöglichkeiten ergeben. Das bedeutet wieder Aufklärungsarbeit an der Wurzel um Unsicherheiten und Fehler bei der Bedienung der Instrumente zu vermeiden. Ich denke dabei an diverse immer wiederkehrende Klagen:

Die Windversorgung:
Ein atmender, lebendiger Wind kann wesentlich für den Ausdruck eines Stückes sein, vorausgesetzt man artikuliert richtig und gefühlvoll. Auch der romantische Wind atmet, auch wenn er stabiler ist, als der der Barockorgel.. Auf keinem Fall ist das zu verwechseln mit dem starren Wind, welcher heute oft fälschlicherweise propagiert wird und der Pfeifenansprache die Seele raubt. Starrer Wind ist toter Wind und beeinflußt die Intonation wesentlich. Wenn heute solche Windsysteme in neue Instrumente eingebaut werden, ist das anscheinend in Ordnung, wenn damit alle Beteiligten das wünschen, sie haben jedoch keinen Platz in historischen Orgeln der Romantik und des Barock und sind somit definitiv abzulehnen.

Der Tonumfang:
Der in der Barockzeit übliche Klaviaturumfang von C-c3 - noch dazu mit kurzer Oktave läßt ganze Generationen von Musikern verzweifeln. Übersehen wird dabei, daß die dazu passende Literatur viel leichter zu greifen ist und die Baßstimme dadurch manualiter möglich ist. Das Pedal hatte in unseren Breiten dabei eine viel untergeordnetere Rolle, als heute üblich. Der beschränkte Ton- und Registerumfang mancher Instrumente zeugt davon. Viele Barockinstrumente unserer Kulturlandschaft verhindern dadurch z.B. das Spiel der Literatur von J. S. Bach, der in einem ganz anderen musikalischen Umfeld tätig war und für die dort üblichen Instrumente komponierte. Wo dieses möglich ist, ist das ganz in Ordnung. In den anderen Fällen soll das als Herausforderung dienen, unbekannte und seltener gespielte Literatur wieder einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dieses eine Beispiel soll nur stellvertretend für manch anderes Problem stehen.

Das Stimmungssystem:
Jede Zeit hat ihre bevorzugten Temperierungen. Diese reichen von reiner Mitteltönigkeit bis zum anderen Extrem: der Gleichschwebung. Dazwischen tummeln sich verschiedenste Varianten der Wohltemperierungen. Fast immer wird eine andere Form - außer der Gleichschwebung - als falsch, verstimmt und dadurch nicht spielbar hingestellt. Daß damit eine neue Klangwelt erschlossen wird, die gleichwertig zur Gleichschwebung betrachtet werden muß, entgeht vielen. Durch unser gewohntes musikalisches Umfeld kommt uns manchmal eine Ungleichschwebung als nicht ganz gestimmt vor. Als Beispiel nenne ich hier die Toccaten von Froberger, die auf einer gleichschwebend gestimmten Orgel farblos, fad und uninteressant klingen. Bei einer ungleichschwebend gestimmten Orgel offenbart sich plötzlich eine neue Klangwelt voller Spannung und Gefühl. Viele Musiker wagen den Schritt aber nicht und legen diese Literatur gleich beiseite. Umgekehrt kann man die Klangmalerei von Reger und seinen Zeitgenossen unmöglich auf jeglicher Art Ungleichschwebung spielen. Das Stück ist schlichtweg unspielbar. Das heißt ein universell gültiges und für alle Arten von Musik überzeugend einsetzbares Temperierungssystem gibt es nicht.

Die Intonation:
Ein Barockprincipal klingt ganz anders, hat also einen komplett anderen Obertonaufbau als ein romantischer. Auch wenn Dispositionen sich oft gleichen, klingt jedes Werk anders und ist auch von dieser Seite gesehen für eine bestimmte Musikrichtung geeigneter als das Instrument im Nachbarort. Barockregister zeichnen vereinfacht gesagt besser, können die einzelnen Stimmverläufe klarer wiedergeben. Das Klangbild wirkt durchsichtiger, heller. Nicht verwechseln darf man das Ganze mit einer schreienden Intonation, die leider allzuoft auch heute angewendet wird. Ich denke an manche Zitate von Musikern, die das Ganze offensichtlich falsch verstehen: „Da muß was Runterkommen, oder die Orgel muß brausen, .....". Die Barockintonation in unseren Breiten war eine sanfte, die dafür den Charakter der Einzelstimme förderte. Oft wird da geklagt, dass der Klang den Gemeindegesang nicht führen könne. Wenn heute manch alte Orgel für unsere Ohren zu leise klingt, damit meine ich auch die romantische Orgel, liegt das daran, dass wir in einer lauteren Welt leben. Wir werden überall mit Musik berieselt, Verkehrs- und Industrielärm setzen die Reizschwelle des menschlichen Ohres in die Höhe, so wundert es nicht, dass auch in der Musik Lautstärke gefordert wird, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Aber setzt damit eine alte Orgel als Klangdokument, davon sprechen wir immerhin die ganze Zeit, nicht bewußt einen Gegenpol? Kann sie uns nicht auch mit sanfteren Klängen bezaubern? Lehrt sie uns gar wieder das bewußte Zuhören, dass im kompletten Gegensatz zu der passiven Musikberieselung steht, die rings um uns stattfindet?
Genauso tauchen wir ein in die Klangwelt der Romantik mit ihren dunklen Principalen und Flöten, die auf homogene Verschmelzung intoniert sind. Damit können wir Klangteppiche erzeugen, die eine Barockorgel nie zu realisieren vermag.

Die Traktur:
Jede Zeit hat ihre technischen Systeme hervorgebracht, die sie als das momentan Beste propagierte. Sei es die mechanische Traktur des Barock und des Biedermeier, sei es die Pneumatik der Jahrhundertwende, die Elektrik unseres Jahrhunderts. Alle haben ihre Berechtigung, da sie denkmalpflegerisch einen Entwicklungsprozeß darstellen. Über die spieltechnischen Vor- und Nachteile der Einzelnen will ich hier nicht näher eingehen, dass ist in erster Linie nur eine Eingewöhnungsphase. Als beispielgebende Restaurierung der letzten Jahre gebe ich die der großen Sauer-Orgel im Berliner Dom an, wo die aufwendige Pneumatik samt neuen Spieltisch komplett restauriert bzw. rekonstruiert werden konnte. Wer dieses Instrument einmal live im Gottesdienst gehört hat, wird mir beipflichten, dass dieses großartige, spätromantische Klangbild in Verbindung mit der pneumatischen Traktur unwiderstehlich sein kann. Natürlich gibt es berechtigte Stimmen, die die oft starke Verzögerung der Pneumatik kritisieren. Auch hier gibt es Konstruktionen, die bei einer Restaurierung beachtliche Geschwindigkeiten vorweisen. Voraussetzung bei der Pneumatik ist meist eine grundlegende und komplette Restaurierung, da nur dann der gewünschte Erfolg erzielt wird. Manche Dimensionierungen müssen verändert werden, die Konstruktionen sind aber meist brauchbar.

Sie sehen, ich stelle mit diesen Aufzählungen die verschiedensten Merkmale gleichwertig gegenüber und streiche ihre spezifischen Vorteile und Besonderheiten bewußt heraus. Ein Nachteil einer Sache stellt sich meist nur bei nicht sachgemäßer Verwendung als solcher heraus. Damit gilt auch für uns Orgelbauer das Gleiche wie oben angesprochen: Wenn wir das Wesen dahinter mit dem geschichtlichen und musikalischen Umfeld nicht verstehen, werden wir uns nie als qualifizierte Restauratoren etablieren können. Wenn wir uns mit alten Instrumenten beschäftigen, werden wir manchmal als sonderbare Puristen angesehen. Dabei geht es bei uns genauso um eine Erweiterung der Möglichkeiten, der Qualifizierung, des Verständnisses des umfangreichen Themas Orgelbau. Wenn ich manche Themen anschneide, die von einigen sicher mit Recht als bereits oftmals gesagt beiseite geräumt werden, dann liegt das daran, dass viele von uns das Verständnis, welches wir bereits als Voraussetzung ansehen, noch nicht in genügendem Maße besitzen, und deshalb diese Aufarbeitung wichtig ist und auch in Zukunft wichtig sein wird. Wir dürfen uns auch nicht der Illusion hingeben, dass wir unsere Erkenntnisse jetzt als die einzig Richtigen anerkennen, die nächsten Generationen, die ja auf unser Wissen aufbauen, werden diese Gedanken vielleicht fortführen. Wenn unsere Philosophien in Zukunft nicht komplett verdammt werden, dann können wir erst behaupten, richtig gehandelt zu haben. Und darum halte ich das Werben für das Verstehen von unseren alten Orgeln und deren Geschichte für so wichtig. Denn unsere aktuelle Musikkultur ist eigentlich die historische Musik. Und wir brauchen die Vergangenheit, um daraus für die Zukunft Erkentnisse zu gewinnen. Wir müssen nur erst lernen, damit umzugehen.


Ing. Franz Eisenhut

Copyright © 2020. All Rights Reserved.